
„Der wechselnde Banner im Hintergrund lenkt total ab." Das Feedback einer Teilnehmerin in einer unserer Praxis-Sessions bei der Bilanzveranstaltung des DigitalPakt Alter in Frankfurt kam schnell und traf einen Bereich, den wir bisher gar nicht im Blick hatten. Während wir bei Präsentationen ganz selbstverständlich nur auf unseren Chatbot blicken, geht es gerade für Menschen mit weniger Digitalerfahrung immer um den Gesamteindruck einer Website. Genau solche Insights haben wir Anfang Oktober bei der finalen Fachkonferenz des bundesweiten Projekts bekommen, als rund 150 Fachleute unter dem Motto „Digital geht auch einfach!?" über digitale Teilhabe älterer Menschen diskutierten.
neuraflow hat auf auf Einladung der BAGSO teilgenommen, deren Mitarbeiter auf den Bonner Bürgerchatbot aufmerksam geworden waren – und die Lösung für ältere Menschen besonders relevant finden. Das war für uns ein kleines Aha-Erlebnis, denn wir hatten Seniorinnen und Senioren als eigene Zielgruppe gar nicht so im Blick und auch aus den Partnerkommunen häufig gehört, "ältere Leute suchen eher selten nicht auf unserer Website, sondern rufen direkt an”. Umso aufschlussreicher war, was wir aus den Gesprächen vor Ort mitnehmen konnten.
Keine Alternative zum Amt: Warum öffentliche Verwaltung anders denken muss
Gleich in der Eröffnungsveranstaltung brachte es eine der zahlreichen Seniorenvertreterinnen in Frankfurt auf den Punkt: Bürgerinnen und Bürger jeden Alters dürfen von ihrer öffentlichen Verwaltung erwarten, dass die Angebote für sie gut zugänglich und funktional sind. Denn anders als in der freien Wirtschaft haben sie nicht die Möglichkeit, zu einem anderen Dienstleister zu wechseln, wenn sie auf der Website ihrer Stadt nicht finden, was sie suchen.
Diese Perspektive gibt kommunalen Entscheiderinnen und Entscheidern im Bereich der Digitalisierung eine besondere Verantwortung. Während im E-Commerce oder bei privaten Dienstleistern frustrierte Nutzerinnen und Nutzer zur Konkurrenz abwandern, führt bei Behördengängen kein Weg am eigenen Amt vorbei. Und gerade deshalb lohnt sich ein genauer Blick auf die Zielgruppe 65+, denn wer hier scheitert, schließt einen großen Teil der Bevölkerung aus.
Audio, Mehrsprachigkeit, Dialog: Was wirklich hilft
In den Praxis-Sessions, in der wir unseren Bürgerchatbot auf großer Bühne vorstellen durften, hatten wir nach einer kurzen Präsentation ausreichend Zeit für Fragen und Anmerkung aus dem Publikum eingeplant. Denn wann hat man schon mal Gelegenheit, mit so vielen interessierten und erfahrenen Vertretern einer Zielgruppe ins Gespräch zu kommen?
Die Rückmeldungen der Teilnehmenden, die nicht nur aus eigener Erfahrung, sondern auch stellvertretend für andere ältere Menschen aus ihren Initiativen und Vereinen sprachen, reichten von Erstaunen über die heutigen technischen Möglichkeiten, über die Sorge, dass Menschen in der Verwaltung ersetzt werden sollen (genau das nicht!) bis zu großem Lob für unseren Ansatz.
Besonders gut kamen in Frankfurt drei Funktionen an, die unser Bürger-Chatbot standardmäßig bietet: die Audiofunktion zur Spracheingabe und -ausgabe, die Mehrsprachigkeit und die vereinfachte Sprache. Doch die meisten Kommentare gab es zu der Kernfunktion unseres Chatbots, nämlich dass er „ganz normale Antworten auf ganz normale Fragen" gibt, ohne dass man sich mit der Website auskennen muss. Wer nach Wohngeld sucht, muss nicht wissen, dass es unter „Sozialleistungen" zu finden ist. Wer fragt „Mein Mann wird langsam vergesslich und kann nicht mehr alleine zu Hause bleiben, was kann ich tun?" bekommt eine kontextbezogene, empathische Antwort, ohne den richtigen Fachbegriff kennen zu müssen.
Weniger ist mehr – Erkenntnisse aus der Praxis-Session
Für uns am wertvollsten waren die kritischen Anmerkungen. Das Beispiel mit dem wechselnden Banner war so eine Erkenntnis – nichts, was wir mit unserem Chatbot direkt beeinflussen können, aber eine relevante Rückmeldung für unsere Partnerkommunen.
Auch in den Fachbeiträgen und der Podiumsdiskussion wurde immer wieder deutlich: Eine ablenkungsfreie, auch für digital unerfahrene Menschen intuitive Benutzerführung ist oft nicht nur wünschenswert, sondern für viele Menschen die Grundvoraussetzung, um digitale Angebote überhaupt zu nutzen. Bei der Gestaltung digitaler Services gilt das Prinzip der kognitiven Entlastung. Weniger Features, dafür durchdachte. Weniger Navigation, dafür klare Wege. Was auf den ersten Blick nach Einschränkung klingt, ist in Wahrheit besseres Design für alle Nutzergruppen.
Der Nebeneffekt: Bürgerchatbot als KI-Türöffner für Senioren
Gleichzeitig konnten wir auf der Veranstaltung auch eigene Erfahrungen teilen: die kommunalen Chatbots eignen sich nämlich als niedrigschwelliger Einstieg in KI-Technologie für ältere Menschen (Grüße nach Detmold an die Organisatoren der Digitalen Erlebnisreihe!). Und ein zentrales Thema des DigitalPaks Alter sind die Erfahrungsorte - ein bundesweites Netzwerk aus über 250 Orten, an denen ältere Menschen die digitale Welt erleben, ausprobieren und verschiedene Anwendungen erlernen können. Diese Initiativen und meist ehrenamtlichen Angebote können einen lokalen Chatbot als Beispiel für eine hilfreiche KI-Anwendung zeigen, die in jedem Browser läuft. Ohne App-Installation, ohne Registrierung und ohne Angabe persönlicher Daten können auch digitale Neulinge Künstlicher Intelligenz auf der vertrauten Website der eigenen Stadt ausprobieren.
Der Austausch beim DigitalPakt Alter hat für neuraflow eine wichtige Perspektive geschärft: Für Senioren zu optimieren macht die Lösung für alle besser. Das ist mehr als eine nette Erkenntnis. Kommunen, die ihre digitalen Angebote konsequent barrierefrei denken, investieren nicht in Randgruppen. Sie investieren in bessere Services für alle. Und sie kommen ihrer besonderen Verantwortung nach: Verwaltungsleistungen so zugänglich zu machen, dass tatsächlich jeder sie nutzen kann. Denn ein Ausweichen zur Konkurrenz gibt es hier nicht.
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